Bedürfnis-orientierte Mitarbeiterführung

 

Bedürfnis-orientierte Mitarbeiterführung

Bedürfnis-orientierte Mitarbeiterführung - C.U.P.Institut
Bedürfnis-orientierte Mitarbeiterführung - C.U.P.-Institut

Bei der Beschäftigung mit dem Thema Mitarbeiterbedürfnisse drängen sich folgende Fragen auf:

 

  • woher kennt das Unternehmen die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter?
  • möchte sich das Unternehmen überhaupt mit diesen Bedürfnissen beschäftigen?
  • wo hat die Führungskraft gelernt, die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter zu erkennen?
  • wird die Führungskraft von der Unternehmensleitung dazu motiviert und dafür honoriert, die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter zu berücksichtigen?
  • Findet sich in den Unternehmensleitlinien und –werten die Wahrnehmung und Berücksichtigung von Bedürfnissen der Mitarbeiter (was die Bedürfnisse der Kunden anbetrifft, ist man da sehr vollmundiger unterwegs)?

 

In den Vorbemerkungen ist schon darauf hingewiesen worden, dass sich zwar die meisten Unternehmen intensiv mit den Bedürfnissen ihrer Kunden beschäftigen und die Black-Box „Kunde“ unter Zuhilfenahme diverser mehr oder weniger fundierter Methoden aus dem Bereich der Konsum- und Markt- Psychologie transparent zu machen versuchen, dass aber vergleichbare Aktivitäten in Richtung ihrer Mitarbeiter (Black-Box „Mitarbeiter“) eher noch die Seltenheit sind. Dies wird deutlich, wenn man sich das Führungsverhalten und in die Gestaltung der betrieblichen Rahmenbedingungen vor Augen hält.  Statt dessen werden oft alte, übernommene Hypothesen über angebliche Mitarbeiterbedürfnisse bemüht, es werden Belohnungsaktionen präferiert, die bei den Mitarbeitern nicht ankommen und keine nachhaltigen Wirkungen erzielen, es werden, ohne sie zu hinterfragen, Führungs- und Organisationssysteme prolongiert, die schon lange ihre Wirkung verloren haben und mittlerweile geradezu kontraproduktiv wirken.

Es besteht in der Wirtschaft, was die Bedürfnisse der Menschen und Mitarbeiter im Beruf anbetrifft, kein Erkenntnisnotstand, die notwendigen Informationen und Verfahren zu deren Gewinnung, liegen vor.  Es fehlt vielmehr oft an der Fähigkeit und Bereitschaft, diese Erkenntnisse in zielgerichtetes Handeln in der Mitarbeiterführung umzusetzen, obwohl es doch eine Binsenweisheit ist, dass die am Markt wirklich erfolgreichen Unternehmen (es ist ganz bewusst nicht von den nur profitabelsten und größten Unternehmen die Rede) in der Regel über leistungsstarke, motivierte und engagierte Mitarbeiter verfügen.

Ebenso eine Binsenweisheit ist der direkte Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterzufriedenheit . Wenn man mit Unternehmensleitern spricht, so wird kaum jemand diesen Zusammenhang ernsthaft leugnen. Leider handelt es sich aber sehr oft nur um Worte, denen vielfach keine oder nur halbherzige Taten und Konsequenzen folgen, vermutlich auch deswegen, weil man die Konsequenzen fürchtet, für zu umfangreich, für zu teuer hält und sich schlicht für überfordert fühlt.

Nimmt man die allgemeinen Rahmenbedingen, in denen Mitarbeiter vielfach ihren Job machen müssen, unter die Lupe, so kommen doch Zweifel auf, ob in diesen Rahmenbedingungen eine bedürfnisorientierte Mitarbeiterführung überhaupt ein Thema ist und/oder ermöglicht werden soll.


  • In Deutschland sind immer mehr Menschen von Armut bedroht – selbst wenn sie einen Arbeitsplatz haben. Dies zeigen Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat, über die die Passauer Neue Presse berichtet. Demnach war fast jeder zehnte Beschäftigte von Armut bedroht. Die entsprechende Quote in den vergangenen zehn Jahren damit von 5,5 Prozent auf 9,7 Prozent gestiegen.
  •  Knapp 3,7 Millionen Menschen, die jede Woche bis zu 40 Stunden arbeiten, verdienen weniger als 2.000 Euro brutto im Monat. Das sind 17,7 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten in Deutschland, wie das Arbeitsministerium auf eine Anfrage der Linken mitteilte.
  • 8,5 Millionen Menschen sind in sogenannten prekären Arbeitsverhältnissen tätig.
  • Jeder zweite neue Arbeitsplatz ist zeitlich befristet.
  •  Weiter zunehmender Trend zum Outsourcing (oftmals besonders problematischer/belastender Arbeitsbereich)
  • Entwicklung zu einer Neo-Tailorisierung (gefördert durch SAP und Oracle)
  • Durch MBO Zunahme der Delegation der Verantwortung zur Zielerreichung bei gleichzeitiger Verringerung der Gestaltungsmöglichkeiten und der Unterstützung zur Erreichung eben dieser Ziele.
  •  Bewerten die Arbeitnehmer ihren Job als sinnstiftend und fühlen sich am Arbeitsplatz wohl, fehlen sie an 9,4 Tagen im Betrieb; diejenigen Arbeitnehmer, die dies nicht tun, fehlen dem Unternehmen mehr als doppelt so lange (19,6 Fehltage). Quelle: AOK Fehlzeiten-Report.

 
Man stellt sich, abseits einer moralischen oder ethischen Bewertung, schon die Frage, wie in diesen Fällen Mitarbeiterzufriedenheit, Motivation und Engagement für das Unternehmen erzeugt und für die erfolgreiche Bearbeitung von Absatz- und Personalmärkten eingesetzt werden, wie Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit überhaupt funktionieren können.
 

Für die Kundenzufriedenheit sind primär die Key Account- Manager und Verkäufer und nachgelagert die Entwicklung, das Marketing und die Materialwirtschaft zuständig, für den Maschinen und Anlagenpark die Technische Leitung und der Einkauf, aber wer ist zuständig für die Mitarbeiterzufriedenheit?  Der Personalchef, wenn er denn die notwendigen Kompetenzen hätte, der jeweilige Vorgesetzte, wenn er denn wollte und könnte, die Unternehmensleitung, wenn denn die Mitarbeiterzufriedenheit ein elementares Ziel und in das Wertesystem integriert wäre?   In welchem Verhältnis steht die Mitarbeiterzufriedenheit zu Börsenkurs, Profit und Umsatzrendite? Wo wird berücksichtigt, dass diese Kennzahlen nur durch eine profitable Mitarbeiterzufriedenheit nachhaltig erreichbar sind?

Diese zögerliche Haltung und die mangelnde Bereitschaft, die Unternehmensleitbilder und –werte, die Führungsrichtlinien und -systeme zu überdenken und ggfs. neu auszurichten, führt oft dazu, dass die klassischen Führungs-, Organisations- und Motivations-Systeme wegen ihrer Ferne zu den tatsächlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter nicht wirklich dazu geeignet sind, diese bei ihren Grundbedürfnissen abzuholen, im Gegenteil: sie wirken nicht selten sogar kontraproduktiv. Ursache dafür ist, dass die Mitarbeiter als Black-Box gesehen werden,  mit denen man sich nicht wirklich beschäftigen möchte. Deswegen wird von vielen Unternehmen in das System „Mitarbeiter“ nach wie vor nur der Input hinein- gegeben, der nach subjektiver Einschätzung der Unternehmensleitung den gewünschten funktionalen Output sicherstellt.

Grundbedürfnisse des Menschen

Die  von Prof. Dr. Klaus Grawe definierten Grundbedürfnisse (Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle, Lustgewinn/Unlustvermeidung, Bindung und Selbstwerterhöhung/ Selbstwert-schutz) sind grundsätzlich gleichwertig, ergänzen sich, sind aber voneinander unabhängig. Daraus entwickelt der Mensch Annäherungs- und Schutzziele und die entsprechenden Strategien und Angewohnheiten, um die Bedürfnisse zu erfüllen oder zu schützen. Wohlbefinden empfindet der Mensch demnach, wenn er Konsistenz erlebt:

 

  • mehrere Grundbedürfnisse stimmen überein (Konkordanz) und
  • die Ziele werden erreicht (Kongruenz).

 

Einen anderen, näher am beruflichen Leben orientierten Ansatz liefert der Psychologe Frederik W. Herzberg, der die Bedürfnisse in Motivatoren und Hygienefaktoren aufteilt.

 

Unter Hygienefaktoren versteht Herzberg Grundbedürfnisse am Arbeitsplatz wie


  • leistungsgerechte Vergütung,
  • angemessene Arbeitsplatzgestaltung,
  • klare Aufgabenstellungen.


Wenn diese nicht oder nur unzureichend erfüllt sind, reagiert der Mitarbeiter mit Unzufriedenheit und Demotivation.

Die Motivation zu engagierter Arbeit resultiert aus den Motivatoren wie Wertschätzung, Lob, anspruchsvolle Aufgaben, Sinngebung, Übernahme von Verantwortung, Karrierechancen etc.

 

Die Erfüllung der Grundbedürfnisse verhindert Arbeitsunzufriedenheit (passive Zufriedenheit), während Motivatoren eine aktive Zufriedenheit und Motivation schaffen.

Von Maslow wissen wir, dass sich die  menschlichen Bedürfnisse stufenmäßig in Form einer Pyramide aufbauen. Der Mensch versucht demnach, zuerst die Bedürfnisse der niedrigeren Stufen (Defizitbedürfnisse) zu befriedigen, bevor die nächsten Stufen neuer Bedürfnisse in Angriff genommen werden (Individual- Wachstumsbedürfnisse).

Zu den Defizitbedürfnissen gehören die fundamentalen Bedürfnisse, wie Sicherheit (z.B. Arbeitsplatzsicherheit, festes Einkommen) und die sozialen Bedürfnisse (z.B. Arbeitsklima). Zu den Individual- oder Wachstumsbedürfnissen gehören Anerkennung/Geltung und die Selbstverwirklichung. Es gilt die Regel, dass ein Bedürfnis einer niedrigeren Stufe zumindest teilweise erfüllt sein muss, bevor ein latent vorhandenes Bedürfnis einer höheren Stufe in Angriff genommen wird. Erst das inzwischen befriedigte Bedürfnis erhöht die Motivation, ein weiteres, höheres  zu befriedigen.

Das SCARF-Modell von David Rock, in dessen Mittelpunkt das Belohnungs- und das Bedrohungssystem des Gehirns stehen, beinhaltet die Dimensionen Status, Gewissheit/ Sicherheit, Autonomie/Selbständigkeit, soziale Bindungen/Gruppenzugehörigkeit und Fairness, die diese beiden Systeme des Gehirns aktivieren. Diese fünf Dimensionen stehen in unterschiedlichem Maße in Wechselwirkung zueinander. 

 
Approach-Reaktionen werden nicht nur durch materielle Stimuli ausgelöst, sondern auch durch soziale bzw. intangible Faktoren oder Situationen wie freudige Erlebnisse, Zufriedenheit, Status, Sicherheit, Selbständigkeit, intakte soziale Netzwerke und das Erleben von Gerechtigkeit. Im Kontrast dazu werden die Avoid-Reaktionen nicht nur durch Hunger, Durst oder den effektiven Entzug von Geld und anderen materiellen Gütern ausgelöst, sondern auch durch als niedrig erlebte Werte wie Status, Sicherheit, Selbstständigkeit, ein nicht intaktes Beziehungsgeflecht sowie fehlende Gerechtigkeit.

Der Effekt des Threat response, der aus der Abwehrreaktion resultiert, ist nach Rock deutlich intensiver und ausdauernder als durch den Reward-Response ausgelöste Reaktionen, da er in hohem Maße Kapazitäten des Gehirns beansprucht, die dann für logische Denkprozesse und Problemlösung nicht mehr zur Verfügung stehen.
Wenn Mitarbeiter sich dagegen durch entsprechende Rahmenbedingungen und Führungs-verhalten in beruflicher und sozialer Hinsicht wertgeschätzt, sicher, sozial integriert, selbstbestimmt und fair behandelt fühlen, so dass der Reward-Response aktiviert wird, führt dies zu höherer Leistungsfähigkeit. Das SCARF-Modell liefert ein leistungsfähiges System für die Personalführung, indem das Belohnungsempfinden der Mitarbeiter maximiert und die Wahrnehmung von Bedrohung minimiert werden kann. Je länger sich die Mitarbeiter im „Approach State“ befinden, umso positivere Auswirkungen hat dies auf deren Leistung.     

In Anlehnung an die von Grawe und Maslow definierten Grundbedürfnisse könnte man die wichtigsten Bedürfnisse von Menschen im beruflichen Kontext wie folgt zusammenfassen:


 

  • Bedürfnis nach Sicherheit: Sicherheit des  Arbeitsplatzes, soziale Absicherung, Schutz vor Gefahren, Vorhandensein von Recht und Ordnung, fachliche Kompetenz zur Absicherung
  • Bedürfnis nach Gesundheit
  • Bedürfnis nach Anerkennung:  hier geht es um „ehrliche“, persönliche Anerkennung, die mit der materiellen Entlohnung allein nicht sichergestellt ist. Dazu gehören Wertschätzung, Status, berufliche Perspektiven
  • Bedürfnis nach Mitmenschlichkeit: Nähe und Kommunikation mit anderen, Gruppenzugehörigkeit, soziale Unterstützung, gutes Betriebsklima
  • Bedürfnis nach ausreichender (gerechter) Entlohnung
  • Bedürfnis nach Selbstverwirklichung: Individualität, Talententfaltung, Freiräume für Kreativität und Selbstständigkeit bei der Erfüllung der Aufgaben, glückliches Leben, sich weiterentwickeln, lernen, Sinnhaftigkeit der Arbeit, Freude an der Arbeit

 


Der Mitarbeiter empfindet sich als erfolgreich, wenn er möglichst viele der für ihn wichtigen Bedürfnisse durch die Arbeit befriedigen kann, wobei zu berücksichtigen ist, dass jeder Mensch Bedürfnisse (auch seinem Alter entsprechend) unterschiedlich bewertet. Die Aufgabe eines Unternehmens besteht darin, seine Mitarbeiter so führen zu lassen und ein entsprechendes Umfeld  bereitzustellen, bei dem zumindest die wichtigsten Bedürfnisse anerkannt und berücksichtigt werden. Dass dabei ein fairer Ausgleich zwischen den individuellen Bedürfnissen und den Notwendigkeiten des Unternehmens gefunden werden muss, liegt im Interesse beider Seiten.


Kurt Lewin stellt mit seiner immer noch gültigen Formel  V=f(P,U)  dar, dass das Verhalten des Menschen im beruflichen Kontext sowohl auf der eigenen Person mit ihren Handlungs-stilen, als auch auf den betrieblichen Rahmenbedingungen basiert, ein Sachverhalt, der oft von der einen oder anderen Seite nicht ausreichend wahrgenommen wird.


Würde man im Marketing gegenüber den Kunden ebenso verfahren, also nur den funktionalen Output offerieren, wäre ein Unternehmen sehr schnell weg vom Markt, denn nur jene Unternehmen sind erfolgreich, die die Probleme und Bedürfnisse ihrer Kunden erkennen und besser als andere lösen bzw. erfüllen. Und dazu muss man sie aber erst einmal kennen.

Folgen einer nicht vorhandenen Bedürfnis-Kultur im Unternehmen


Bedürfnisse nicht wahrzunehmen und zu berücksichtigen, ist im Marketing nicht nur ineffizient, sondern schlägt mit großer Sicherheit auf die Qualität von Kundenzufriedenheit und Kundenbeziehung durch. Dieser Zusammenhang wird weitgehend erkannt und durch entsprechendes analytisches und konzeptionelles Vorgehen bei der Marktbearbeitung honoriert. Weniger berücksichtigt – obwohl unstrittig - wird hingegen der Zusammenhang von Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit (Thema einer anderen Studienarbeit). Es ist als gesichert anzunehmen, dass nicht beachtete Bedürfnisse von Kunden dazu führen, dass diese Kunden zur Konkurrenz abwandern. Ähnliches gilt natürlich auch für Mitarbeiter, die in zunehmendem Maße die Wahl haben, das Unternehmen zu verlassen und/oder ihre Arbeitskraft einem anderen Unternehmen anzubieten. Wenn das für den betroffenen Mitarbeiter nicht möglich ist, geht der Mitarbeiter quasi in den Untergrund (Fehlzeiten, Dienst nach Vorschrift, Alibitätigkeiten, vorgetäuschte Geschäftstätigkeit, Engagement knapp über der Abmahnschwelle, innere Kündigung etc.). Daraus wird deutlich, dass eine vom Unternehmen praktizierte bewusste oder unbewusste Bedürfnisverdrängung nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch die Leistungsfähigkeit und –bereitschaft seiner  Mitarbeiter schwächt.

Und die Zukunft wird es zeigen: auch wertvolle Mitarbeiter werden in die Unternehmen gehen, die ihre Bedürfnisse besser als andere befriedigen. Die ehemals scharfen Waffen um die besten Köpfe, nämlich Geld und Karriere, werden stumpf, weil sie die Bedürfnisse der Menschen nicht mehr alle oder im ausreichenden Maße berücksichtigen.
Das könnte sich als fatal herausstellen, denn für den globalen Wettbewerb, für die Notwendigkeit von ständigen Veränderungen und Effizienzsteigerungen, für die Bewältigung von immer mehr zunehmenden Arbeitsbelastungen braucht es Mitarbeiter, die gesund, engagiert, motiviert und bereit sind, mehr zu liefern, als nur die in der Stellenbeschreibung definierte Funktion.

Ohne Bezug zu den Bedürfnissen, ob von Kunden oder von Mitarbeitern, wird jede Strategie, Handlung oder Maßnahme zu einem Lotteriespiel. Jeder Kauf, jeder Verkauf, jede Arbeit muss in einem menschlichen Bedürfnis verankert sein, damit sie zu einer Dienstleistung am anderen Menschen werden kann. Fehlt bei der Bearbeitung von Kunden und der Führung von Mitarbeitern dieser Bedürfnisanker, dann sind alle Maßnahmen, ob gegenüber dem Kunden oder dem Mitarbeiter, falsch platziert, überflüssig, eine Verschwendung von Ressourcen oder gar kontraproduktiv.

Ziel der  „Bedürfnisorientierten Mitarbeiterführung“

Der Begriff der bedürfnisorientierten Mitarbeiterführung ist in der einschlägigen Fachliteratur nicht gerade weit verbreitet. Dabei ist der Begriff eigentlich selbsterklärend, verbirgt sich hinter ihm doch nichts anderes als die Empfehlung, bei der Führung von Mitarbeitern deren Bedürfnisse nicht nur zu berücksichtigen, sondern  diese auch durch entsprechende Führungsverfahren und -instrumente zu adressieren.

Es wäre ein lohnendes Ziel, wenn die Mitarbeiter von sich sagen könnten:
•    Ich finde Zufriedenheit in meiner Arbeit und in meinen Aufgaben.
•    Ich kann mich fachlich und persönlich weiterentwickeln.
•    Ich werde von meinen Vorgesetzten fair, gerecht und unterstützend geführt.
•    Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Kollegen.
•    Ich fühle mich als anerkannten, wertvollen Teil eines Ganzen und als Mitunternehmer.
•    Ich bin stolz auf mein Unternehmen.

Eine bedürfnisorientierte Unternehmenskultur bedeutet, dass man sich bewusst nicht nur um die Bedürfnisse von Kunden, sondern in erster Linie um die der Mitarbeiter als „Mitunternehmer“ kümmert. Sie, diese Mitunternehmer, braucht es, um sich als Unternehmen in den frequentierten Absatz- und Personalmärkten  erfolgreich  positionieren und über diesen speziellen USP gegenüber dem Wettbewerbe profilieren zu können.

Lösungsansätze für eine bedürfnisorientierte Mitarbeiterführung
Man könnte die Empfehlung geben, im Rahmen einer Job-Rotation Marketing-Fachleute im Personalwesen und Personal-Fachleute im Marketing arbeiten zu lassen. Der Effekt wäre mit Sicherheit nachhaltig, aber er würde natürlich nicht ausreichen.
Da eine bedürfnisorientierte Mitarbeiterführung eine bedürfnisorientierte Unternehmenskultur zwingend benötigt, ist der wohl sinnvollste Lösungsansatz die von Lewin propagierte Formel V=f(P,U), aus der der Zusammenhang von Mitarbeiter und betrieblichem Umfeld erkenntlich wird. Entlang dieser Formel könnte eine Kombination aus dem SCARF-Modell und des Grundbedürfnis-Modells von Grawe idealerweise noch mit der Komponente „Internes Marketing“ versehen, als ein erfolgversprechender Lösungsansatz angesehen werden, zumal er das System von Leadership und Neuro-Leadership geradezu ideal ergänzt und Leitlinien für Führungskräfte bezüglich ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen definiert:

 

eine Organisation als ein komplexes System zielgerichtet, ganzheitlich, sich dauerhaft weiterentwickelnd  zu ihrer Höchstleistung führen und dabei die erforderliche Transformation vorantreiben.

eine Organisation zukunftsfest führen, notwendige Veränderungen wagen und die Mitarbeiter dazu befähigen und motivieren, Veränderungen zu meistern und in ihnen Chancen zu sehen.

die Menschen in der Organisation mental und emotional für eine Zukunftsvision  stimulieren und eine Verbundenheit über alle Hierarchieebenen hinweg bewirken.

 

Unterscheidet man Management und Leadership, so kann man sagen: Management ist das Arbeiten im Organisationssystem, Leadership ist das Arbeiten am Organisationssystem. Leadership stellt demnach die umfassendere Kontextqualität dar. Die Anforderungen an die Leadership-Persönlichkeit sind ungleich höher. Leadership gründet auf grund-legenden persönlichen und charakterlichen Eigenschaften. Die Verwirklichung von Leadership kann nur mit einem im Geiste verbundenen Team und mit einer adäquaten Unterstützungsarchitektur gelingen. Manager sind Verwalter, Leader dagegen Visionäre. Management steht eher für das perfekte Organisieren der Abläufe, für das Planen und Kontrollieren. Leadership bedeutet  dagegen, die Geführten mit Visionen zu inspirieren und zu motivieren, Leadership schafft Kreativität, Innovation, Sinnerfüllung und Wandel. Ein Unternehmen braucht beide: den Manager und den Leader, allerdings kann niemand Manager und Leader in einem sein

Ein weiter gehender und noch konsequenterer Ansatz ist Neuro-Leadership, verstanden als eine Verbindung von neurowissenschaftlichen Erkenntnissen mit zum Teil bekannten Management-Methoden, mit dem Ziel gehirngerechter zu führen und bessere Ergebnisse zu erzielen.
Die Empfehlung, Führungskräfte und Mitarbeiter wie Kunden zu behandeln, gilt übrigens nicht nur für die eigenen Beschäftigten, sondern auch für diejenigen, die bei Systempartnern, Zulieferanten, Händlern, Dienstleistern (Stichwort Outsourcing) und Logistikpartner des Unternehmens arbeiten. Dort vorhandene Probleme bezüglich psychischer Gesundheit, Motivation, Bezahlung, Führung und Ausbildung schlagen nicht nur bei den eigenen Beschäftigten durch, sondern auch im Marketing und bei der Marktleistung des Unternehmens. Dass diese Ausweitung der Verantwortung auch jenseits der eigenen Werkstore oftmals nicht gesehen und durch entsprechende Vereinbarungen mit den Partnern nicht wahrgenommen wird, ist erstaunlich und kaum zu begreifen.

Aber auch das muss gesagt werden, wenn man Führungskräfte und Mitarbeiter wie Kunden behandeln sollte, wenn man sich mehr Marketing in den Bereich HRM wünscht: nicht jeder Kunde ist für jedes Unternehmen ein König, nicht bei jedem Kunden ist es sinnvoll, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zu erzeugen, wenn beide Seiten nicht den vergleichsweise höchsten Nutzen von der Verbindung haben, wenn eine Win-win-Situation für das Unternehmen nicht profitabel zu erreichen ist, weil es einfach nicht passt. Im Zeichen von begrenzten Kapazitäten und Ressourcen arbeitet man deswegen im Marketing mit der Klassifizierung A-, B- und C-Kunden, man löst sich gegebenenfalls von Kunden, Kundengruppen und ganzen Marktsegmenten.


Zweifellos gibt es auch in Unternehmen und Institutionen Mitarbeiter, bei denen es aus den verschiedensten Gründen trotz aller Bemühungen des Unternehmens, trotz einer bedürfnisgerechten Führung nicht passt, mit denen eine Win-win-Situation nicht zu realisieren ist. Da genau diese Führungskräfte und Mitarbeiter neben ihrer unzureichenden Effizienz auch noch gewaltige Schäden im Unternehmen anrichten und das so wichtige Betriebsklima belasten können, muss ein Unternehmen – vergleichbar mit der Kundenpolitik - auch entsprechende Konsequenzen ziehen und den Mut haben, sich von diesen Führungskräften und Mitarbeitern zu trennen.

Nutzen der bedürfnisorientierten Mitarbeiterführung


Die Umsetzung des in dieser Studienarbeit beschriebenen und vorgeschlagenen Lösungsansatzes (Kombination aus SCART, GRAWE, NEURO-LEADERSHIP) erhöhen sich die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft, reduzieren sich die Belastungen und es verbessert sich die Gesundheit der Mitarbeiter. Und das alles (auch) zum Nutzen des Unternehmens, weil sich die Wettbewerbsfähigkeit verbessern wird. Ist man in einem Unternehmen dazu bereit, die Organisation und Führung so zu gestalten, dass im Gehirn des Mitarbeiters das Belohnungszentrum stimuliert und gleichzeitig vermieden wird, das Bedrohungszentrum zu aktiveren, dann kann man mit Fug und Recht von einer bedürfnisorientierten Mitarbeiter-führung sprechen. Oder anders ausgedrückt: würde man sich in den Unternehmen um die tatsächlichen Bedürfnissen von Mitarbeitern konsequenter kümmern,  sie ernster nehmen und darauf die Unternehmensphilosophie, die Werte, das Führungsverhalten, die Organisationsabläufe und vieles mehr was die Verhält-nisse ausmachen, im Rahmen des Möglichen ausrichten, bekäme man als Unternehmen von Mitarbeitern nicht nur den funktionalen Output, sondern einen sehr wertvollen und entscheidenden zusätzlichen Output:  Abb. 8 Wahre Bedürfnisse der Mitarbeiter erkennen und nutzen

In keinem der sogenannten klassischen Produktionsfaktoren (Elementfaktoren und dispositive Faktoren) wird so viel Geld verschwendet, falsch eingesetzt, falsch gespart, werden so viele Probleme übersehen und Chancen ungenutzt wie im Bereich Human Resources.  Man weiß genau, was eine neue Produktionsanlage, ein neues EDV-System, eine Kapitalanlage an Effizienzverbesserung bringt. Andererseits liefert kaum ein Bereich für materielle und immaterielle Investitionen mit einem geschätzten ROI von 1:5 mehr und nachhaltigere Wirkung als der Bereich HR. Dies ist weder überraschend noch neu, alle ahnen es, dass da was dran sein muss.
Um zu wirken, muss eine bedürfnisorientierte Mitarbeiterführung nicht unbedingt Geld kosten, wie aus einer Liste von möglichen Maßnahmen hervorgeht, die eines gemeinsam haben: sie kosten kein Geld:

 

Die Mitarbeiter-Zufriedenheit in das Unternehmens-Leitbild, in die Unternehmens-Kultur und in das betriebliche Wertesystem integrieren (Veränderungen müssen „von oben“ kommen)

  • Systemwechsel von den klassischen Management-Methoden hin zum Supportive Leadership (nicht nur steuern und kontrollieren, sondern Betroffene zu Beteiligten machen)
  • Mitarbeiter bewusst loben (die Verweigerung von Lob ist wie vorenthaltener Lohn)
  • Mitarbeiter bei der Aufgabenerledigungen aktiv unterstützen, statt vornehmlich zu kontrollieren und Gestaltungsfreiräume übermäßig einzuengen; ihnen die Möglichkeit geben, ihre  Potenziale und ihre Kreativität stärker einzubringen
  • Mit Mitarbeitern respektvoll, achtsam und wertschätzend umgehen (sie als wichtiges Mitglied eines Teams sehen, das ein gemeinsames Ziel hat und verfolgt)
  • Mitarbeiter aktiv informieren und Feedback geben; sich für Mitarbeitergespräche Zeit nehmen und zuhören
  • Mitarbeiter in Entscheidungen, die sie und ihre Arbeit betreffen, stärker einbeziehen
  • Sich um Sorgen und Probleme von Mitarbeitern kümmern, möglicherweise und notfalls auch um private

 
Es ist zu vermuten, dass durch den klassischen Input der Unternehmen in die Mitarbeiter nur an die 20%, vielleicht auch 30% der kreativen Potenziale und Ressourcen als Gegenleistung bereitgestellt werden, weil es zu mehr an der notwendigen Führung, Motivation, Ermutigung, Wertschätzung fehlt. Was geschieht mit den vielleicht 50% an den Potenzialen, die verfügbar und für das Unternehmen positiv einsetzbar wären, aber vom Mitarbeiter nicht zur Verfügung gestellt und/oder abgerufen werden?

In einer bedürfnisorientierten Unternehmenskultur und mit einer bedürfnisorientierten Mitarbeiterführung könnte man mit relativ geringem Aufwand einen erheblichen Anteil der bei den Mitarbeitern vorhandenen, aber nicht bereitgestellten und/oder nicht abgeforderten Potenziale für das Unternehmen gewinnen:
 
Die Wirkung von bedürfnisorientierter Mitarbeiterführung
Aber es gibt noch eine Vielzahl weiterer Nutzenargumente für die bedürfnisorientierte Mitarbeiterführung, die hier nur beispielhaft genannt werden sollen:

 

  • Verbesserung der Mitarbeiterbindung (damit Erhaltung von wichtigem Know how und Realisierung  hoher Einsparpotenziale im Hinblick auf Personalsuche und Kompetenzaufbau)
  • Unterstützung von Change-Prozessen durch Verantwortungsübernahme und den Aufbau von Vertrauen bei gleichzeitiger Reduzierung von Veränderungsängsten
  • Deutliche Verbesserung der Arbeitgeberqualität (Stichwort: Employer Branding)

 


Fazit und Ausblick


Die bedürfnisorientierte Unternehmenskultur funktioniert ja im Hinblick auf die Absatzmärkte schon in den Unternehmen, die ein fundiertes und nachhaltiges Absatzmarketing betreiben. Insofern wäre eine Erweiterung dieser Unternehmenskultur auf den Personalbereich im Hinblick auf die Führung/Bindung bestehender Mitarbeiter und im Hinblick auf das interne und externe Employer Branding ein logischer Schritt, denn auch Mitarbeiter sind wie Kunden nicht ein ganzes Leben an ein Unternehmen gebunden und der Wettbewerb wird nicht nur auf den Absatzmärkten, sondern auch auf dem Personalmarkt weiter zunehmen.

Eine bedürfnisorientierte Mitarbeiterführung unter dem Dach einer bedürfnisorientierten Unternehmenskultur ist, auch wenn der Wechsel zu einem derartigen Führungssystem nicht ganz einfach verlaufen wird, eine der profitabelsten und nachhaltigsten Strategien überhaupt für den langfristigen Unternehmenserfolg. Es ist zu hoffen, dass sich diese Erkenntnis durchsetzen wird, auch wenn die Tendenzen durch immer mehr Controller-Typen und Kennzahlen-Fundamentalisten an den Unternehmensspitzen eher in eine andere Richtung zu gehen scheinen.


Die Tatsache, ob sich Unternehmen ernsthaft mit den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter beschäftigen und diese Erkenntnisse in der Führung und in der Bereitstellung geeigneter Rahmenbedingungen umsetzen, ist eigentlich relativ einfach zu überprüfen: nämlich als Kunde des jeweiligen Unternehmens. Wenn Unternehmen mit ihren Mitarbeitern seriös, freundlich, bedürfnisorientiert, verantwortungsbewusst und nachhaltig umgehen, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch ihre Kunden so behandelt werden. Deswegen kann man Unternehmensleitern nur immer wieder den Rat geben, einmal bei sich selbst ein Produkt oder eine Dienstleistung zu kaufen, oder sich bei sich selbst beraten zu lassen.

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