Brauchen wir den Faktor "Personal" als 5. Marketing-Faktor?

Brauchen wir einen 5. Marketing-Faktor?
(Wo bleibt eigentlich der Faktor „Personal“?)
-in Arbeit-

1. Vorbemerkung
Auf den ersten Blick würde man nicht unbedingt annehmen, dass die Struktur und die Verwendung des klassischen Marketing-Instrumentariums (Marketing-Mix) etwas zu tun haben könnte mit der Arbeits- und Organisations-Psychologie. Eigentlich - um es ein bisschen überspitzt auszudrücken - kommt der Mitarbeiter in diesem klassischen Marketing-Mix so recht gar nicht vor, obgleich Unternehmen jedoch mit Menschen für die Bedürfnisse anderer Menschen arbeiten. Es soll hier begründet werden, warum es sinnvoll ist, das Element „Personal“ (hier und nachfolgend verstanden als: Personal-Qualität, Personal-Quantität, Personalführung, Führungssystem, Motivation, psychische Stärke und Belastbarkeit, Betriebsklima) ganz bewusst, systematisch  und konsequent als fünften, gleichberechtigten Marketing-Faktor (neben den Faktoren Produkt, Preis, Kommunikation und Distribution) in den Marketing-Mix einzusetzen.

Damit könnte der Faktor „Personal“ seiner großen Bedeutung gerecht werdend wirkungsvoller und mit mehr Gewicht als bisher in das Operative Marketing eines Unternehmens integriert werden, und zwar zum Nutzen sowohl des Unternehmens als auch der Mitarbeiter und Kunden. In vielen Unternehmen, selbst im Dienstleistungsbereich als Teil des tertiären Wirtschaftssektors (dreiviertel der Wertschöpfung und über 25% der Jobs in Deutschland repräsentierend) wird der Faktor „Personal“ nur indirekt und/oder nicht systematisch genug in die Entwicklung und Umsetzung ihrer Marketing-Konzepte einbezogen. Dieser Mangel führt oftmals  zu Effizienz- und Durchschlagsverlusten bei der Implementierung von Marketing-Konzepten und zu erheblichen Belastungen und/oder Überforderungen von Führungskräften und Mitarbeitern. Und wird insbesondere an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden ("Point of sales") sichtbar.

Die Integration des Faktors „Personal“ als gleichberechtigten fünften Faktor des Marketing-Mix scheint auf  den ersten Blick banal oder nur ein symbolischer Schritt zu sein, aber es ist mehr als nur Symbolik, was nachfolgend zu belegen sein wird. In dieser Studienarbeit soll nachvollziehbar dargestellt werden, dass die richtigen materiellen und immateriellen Investitionen in den fünften Marketing-Faktor „Personal“ und dessen Integration in das Optimierungs-System des Marketing-Mix nicht nur die Wettbewerbsposition eines Unternehmens in den Absatz- und Personalmärkten, sondern auch die Effizienz der Marktbearbeitung, die psychische Gesundheit und die Motivation der Mitarbeiter erheblich verbessern können. Dies wäre dann eine klassische Win-win-Situation.

Bei den gründlichen Recherchen für diese Studienarbeit stellte sich heraus, dass die Empfehlung des Autors, den Faktor „Personal“ in den Marketing-Mix zu integrieren, bereits vor über einem halben Jahrhundert in den USA diskutiert wurde. Der Begriff „Marketing-Mix“ wurde damals bekannt durch einen in 1964 erschienenen Artikel von Neil H. Borden mit dem Titel „The Concept of he Marketing-Mix“.  Neil H. Borden benutzte diesen Begriff in den späten 1940er Jahren in seinen Vorlesungen, nachdem James Culliton den Marketing-Manager als „den Mixer von Zutaten“ bezeichnete. Für Borden bestand damals der  Marketing-Mix aus den Faktoren product planning, pricing, branding, distribution channels, personal selling, avertising, promotions, packaging, display, servicing, physical handling, fact finding und analysis. Er kam damit auf insgesamt 13 Faktoren. E. Jerome McCarthy, in der Fachliteratur als der eigentliche Erfinder des Marketing-Mix-Systems herausgestellt,  gruppierte später diese „Zutaten“ in die vier bis heute üblichen Marketing-Faktoren, nämlich die 4 Ps (Product, Price, Place, Promotion). Damit wurde der ehemals als selbständig definierte Faktor „Personal“ nicht mehr explizit ausgewiesen. Dies erscheint aus heutiger Sicht nur schwer nachvollziehbar und wird den sich in den letzten Jahrzehnten gravierend veränderten Bedingungen der Märkte nicht gerecht.


2.  Definition Faktor „Personal“
Mit dem Begriff „Personal“ im Sinne von Belegschaft werden die in jeder Art von Organisationen in abhängiger Stellung arbeitenden Menschen zur Realisierung von Geschäftsprozessen bezeichnet, die innerhalb einer institutionell abgesicherten Ordnung gegen Entgelt eine Arbeitsleistung erbringen. Die menschliche Arbeitskraft ist einer der drei klassischen elementaren Produktionsfaktoren, wobei der Faktor Arbeit aufgeteilt wird in ausführende/objektbezogene Arbeit und die dispositive Arbeit (im Wesentlichen Leitung, Planung und Überwachung der Prozesse im Unternehmen).
Anmerkung: während die Marketingleitung für die Kombination/Optimierung der Marketing-Faktoren im Marketing-Mix verantwortlich ist, fällt die Verantwortung für die Dimensionierung, Kombination und Optimierung der betrieblichen Produktionsfaktoren (also auch der Arbeit)  der Unternehmensleitung zu. Man könnte demnach von einem Produktions-Mix sprechen.

Wenn man den Faktor „Personal“ nicht nur als Produktionsfaktor, sondern als Teil des betrieblichen immateriellen Vermögens (Human-Capital) definiert, beinhaltet der Faktor „Personal“ u.a. folgende Elemente:
  • das in den Mitarbeitern verkörperte individuelle Humankapital der Mitarbeiter (Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen, Erfahrung, Motivation und Innovationsfähigkeit) aber auch deren physische und psychische Gesundheit
  • die Personalprozesse als dynamisches Humankapital (Beschaffung, Entwicklung, Einsatz und Freisetzung der Mitarbeiter)
  • die Personalstrukturen als strukturelles Humankapital (Aufbau, Organisation und Strukturierung  des Personals)
  • die Personalentwicklung (Aus- und Weiterbildung, Karriereplanung und –förderung)
  • die Ausgestaltung von Gratifikationssystemen
Die Planung, Steuerung und Kontrolle des betrieblichen Humankapitals obliegt dem betrieblichen Personalmanagement (HRM). Wesentliche Einflussfaktoren für die Qualität des Faktors „Personal“ sind u.a. Visionen, Unternehmensleitbilder, Unternehmenswerte, Führungsstil und –instrumentarien und das Betriebsklima.
Human-Kapital - C.U.P.-Institut
Abb. 1 Definition Human-Kapital


3.  Definition „Marketing-Mix“
Der Marketing-Mix besteht aus den kontrollierbaren Variablen und den Einsatzniveaus dieser Variablen, die das Unternehmen zur Beeinflussung der Zielmärkte verwendet. [3] Die klassischen Instrumente des Marketing-Mix werden nach McCarthy [4] als die sog. „4Ps“ bezeichnet und in folgende Instrumentalbereiche eingeteilt:

  • Product (Produktpolitik: welches Produkt wird zu….)
  • Price (Preispolitik: …welchem Preis…..)
  • Place (Distributionspolitik: …wie vertrieben…)
  • Promotion (Kommunikationspolitik: …und wie beworben?)
Der Marketing-Mix bezeichnet die Kombination verschiedener Marketinginstrumente, die ein Unternehmen zur Erreichung seiner angestrebten Marketingziele bei bestimmten Kunden-gruppen auf den relevanten Teilmärkten einsetzt.
Marketing-Mix - C.U.P.-Institut
Abb. 2 Der klassische Marketing-Mix

Die richtige, effiziente und profitable Strukturierung der Marketing-Mix-Faktoren und deren Einsatz ist ein Optimierungs-Modell: mit welchem Mix („Rezeptur“) in welcher Ausprägung und in welchem Verhältnis der Faktoren zueinander werden die Marketing-Ziele am effizientesten nach dem ökonomischen Prinzip erreicht. Da die Marketing-Faktoren und deren Mix individuell und unternehmensspezifisch gestaltet werden,  liegt es in der Natur der Sache, dass es theoretisch eine unendliche Zahl von Marketing-Mixen gibt, und dass in der Regel kein Marketing-Mix eines Unternehmens mit dem Marketing-Mix eines anderen Unternehmens vergleichbar ist. Beispiele:

  • ein hochmoderner, innovativer Fernseher (Product), der hochpreisig (Price) ausschließlich über das eigene Niederlassungsnetz vertrieben wird (Place) und über intensive Öffentlichkeitsarbeit, Fernsehwerbung und Internet-Seiten beworben wird (Promotion)
  • ein funktional eher schlichter Fernseher (Product), der extrem niedrigpreisig (Price) über ein starkes Händlernetz (das damit die Billigschiene abdecken möchte) (Place) und mit einer starken Fernsehwerbung („Lockvogel“) beworben wird.
  • eine mit Test „sehr gut“ ausgezeichnete Standard-Margarine (Product), die günstig (Price) als Eigenmarke von einem Lebensmittel-Discounter vertrieben wird (Place) und regelmäßig in den Märkten oder per Angebotsflyer beworben wird (Promotion)
Die Marketing-Mix-Faktoren müssen in Kenntnis ihrer Marktbedeutung und jeweiligen Grenzkosten und -nutzen so gestaltet und gemixt werden, dass diese im Zusammenwirken die Marketing-Ziele mit dem geringstmöglichen Aufwand erreichen können. Oder anders ausgedrückt: es muss gelingen, mit dem geringstmöglichen Aufwand an Finanzmitteln und Ressourcen die Ziele des Unternehmens und die Erfordernisse des Marktes zu erfüllen. Nicht zu viel (hier würde man Geld und Ressourcen verschwenden), und nicht zu wenig (hier würde man unter dem Nachfrageniveau liegen und dem Wettbewerb in die Hände spielen), also exakt auf den Punkt.
Anmerkung: Würde man  zu den vier klassischen Faktoren des Marketing-Mix den fünften Faktor „Personal“ hinzufügen, so hätte dieser Vorgang erhebliche Auswirkungen auf die anderen Faktoren und den Mix selbst, aber auch auf das Verhältnis der Faktoren zueinander. Auf diesen Effekt wird im Verlaufe der Studienarbeit noch näher eingegangen.

4.  Ausgangs-Situation
In den meisten Unternehmen (selbst bei einer Vielzahl von Dienstleistungsunternehmen -  man denke nur an Telefonprovider, Versicherungsgesellschaften etc.    wird in der Marketing-Praxis nach wie vor fast ausschließlich nur mit den vier klassischen Marketing-Mix-Faktoren gearbeitet. Auch die meisten Universitäten und Hochschulen gehen in ihren Studiengängen im Bereich BWL und Marketing und in den jeweiligen Skripten von nur 4 Marketing-Mix-Faktoren aus. Die Komponente „Personal“ findet sich bei den meisten Unternehmen in der Regel außerhalb des Marketing-Mix-Optimierungsmodells und schlägt sich nieder in der Komponente „Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen“ zur Realisierung einer Marketing-Konzeption.  Damit soll die Frage beantwortet werden: „Was müssen wir organisatorisch in der Aufbau- und Ablauf-Organisation und bei den Prozessen tun, um die Marketing-Konzeption mit ihrem Herzstück „Marketing-Mix“ wie geplant erfolgreich im Markt umsetzen zu können?“.

In den letzten Jahren wurde vor allen Dingen in den angelsächsischen Ländern durch Wirtschaftswissenschaftler wie Booms und Bitner eine Erweiterung des Produkt-Mix um u.a. den Faktor „Personal“ zumindest für den Dienstleistungsbereich diskutiert, zumal durch den  Immaterialitätscharakter von Dienstleistungen die involvierten Mitarbeiter von den Kunden meist als Substanz der eigentlichen Leistung wahrgenommen werden. Allerdings wurde dieser völlig richtige Ansatz in Deutschland  bisher nur in Ansätzen in die Praxis umgesetzt. Eigentlich erstaunlich, und warum nur für den Dienstleistungssektor? Warum sollte nicht auch außerhalb der Dienstleistungsbranche der Faktor „Personal“ auch ein angebots-gestaltender und  integraler Teil des Angebotes eines Unternehmens sein?
Grundsätzlich ist die Arbeit mit dem klassischen Marketing-Mix-Instrument auch im Dienstleistungsmarketing möglich. Um allerdings die Besonderheiten von Dienstleistungen hervorzuheben und deren spezifischen Anforderungen gerecht zu werden, wird - wie schon an anderer Stelle erwähnt - vor allem in den angelsächsischen Ländern die Erweiterung des Marketing-Mix um folgende Bereiche diskutiert:

  • Personalpolitik (personal)
  • Ausstattungspolitik (physical facilities)
  • Prozesspolitik (process management)
Die folgende Abbildung zeigt einen beispielhaften Marketing-Mix von modernen, marktorientierten Unternehmen, der neben den klassischen Instrumentalbereichen zusätzlich u.a. auch die Personalpolitik umfasst.
Abb. 3 Marketing-Mix im Dienstleistungsgewerbe

Natürlich kommen bei der Diskussion um den fehlenden Marketing-Faktor „Personal“ immer wieder die Argumente, dass Inhalte und Qualität der vier klassischen Marketing-Faktoren jeweils vom Personal  wesentlich bestimmt werden (beispielsweise die Mitarbeiter der Abteilung F&E für den Faktor „Produkt“, die Verkaufsmitarbeiter für den Faktor „Kommunikation“), und dass somit der Faktor „Personal“ immer und überall in den Marketing-Mix integriert ist. Dem ist natürlich nicht zu widersprechen, aber diese Erkenntnis macht den Vorschlag, den Faktor „Personal“ systematisch als gleichberechtigten Marketing-Faktor in den Marketing-Mix zu integrieren, keineswegs obsolet. Mit der Integration des Marketing-Faktors „Personal“ in den Marketing-Mix bekommt dieser Faktor einen ganz anderen Wert, indem er nicht nur als  Umsetzungsinstrumentarium („Transmissionsriemen“) für das Marketing eines Unternehmens dient, sondern als ein gestaltendes, in ein Gesamtsystem eingebundenes Element des Unternehmensangebotes und der Marktbearbeitung fungiert.
Beispiele zur Erläuterung dieses Gedankens:

  • Marketing-Mix Beispiel A: Verfügt ein Unternehmen für die Bearbeitung seiner Zielmärkte über einen vergleichsweise quantitativ/qualitativ zu schwachen Faktor „Personal“ (was ja auf den ersten Blick Geld einspart und viele Controller freut), müsste das Unternehmen zur Wahrung seiner Wettbewerbsfähigkeit kompensatorisch mehr in die Produktqualität (z.B. mit einer höheren Selbstverkaufsfunktion) und/oder in die Promotion/Werbung investieren und möglicherweise eine teurere Händlerorganisation (gegen höhere Händlerrabatte) frequentieren.
  • Marketing-Mix Beispiel B: Verfügt ein Unternehmen über ein vergleichsweise sehr guten Faktor „Personal“ (was ja auch Geld kostet), könnte das Unternehmen bei entsprechender Honorierung durch den Markt für ein gutes Produkt einen höheren Preis mit zusätzlicher Marge realisieren und möglicherweise bei den Ausgaben für Promotion Gelder einsparen und/oder durch beispielsweise die Nutzung des Pull-Effektes eine kostengünstigere Handelsorganisation mit geringeren Rabatten einsetzen.
In beiden Beispielen ist der Faktor „Personal“ in das jeweiligen Marketing-Mix – ob bewusst oder nicht – faktisch integriert, Stärken und Schwächen des Faktors „Personal“ im Verhältnis zu den anderen Faktoren beeinflussen diese unmittelbar. Um mit dem Marketing-Mix erfolgreich/profitabel am Markt zu sein, muss - um bei dem Beispiel zu bleiben - im Marketing-Mix A die Schwäche im Faktor „Personal“ kompensiert werden, während im Marketing-Mix B angesichts der Stärke des Faktors „Personal“ die Option besteht, entweder den Aufwand in den anderen Marketing-Faktoren auf das notwendige Maß zu reduzieren oder die Stärke des Faktors „Personal“ zur Gewinnung zusätzlicher Marktanteile zu verwenden.
Anmerkung: Ein Unternehmen kann sich, wenn es das für richtig hält, und wenn diese Strategie vom Markt akzeptiert wird, alle wichtigen Marketing-Faktoren (incl. Personal) auch ganz oder teilweise zukaufen oder zuliefern lassen, indem es Produkte zukauft, über Händler vertreibt, die Werbung gegen Zahlung von Werbekostenzuschüssen an die Händler überträgt,  bestimmte Funktionsbereiche outsourct oder mit Leihkräften/Werkverträgen arbeitet. Die Mixtur der Marketing-Faktoren muss allerdings das Unternehmen selbst übernehmen.

5.  Zwischen-Fazit:
Die Unternehmen variieren, kombinieren und optimieren seit jeher die klassischen Produktionsfaktoren, also menschliche Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe, um damit ihre Ziele gegenüber dem Markt und den Anteilseignern profitabel erreichen zu können. So wird beispielsweise der Faktor menschliche Arbeit in zunehmenden Maße durch die Erweiterung des Faktors Betriebsmittel (Stichwort: Automatisierung) reduziert, oder es findet eine Reduzierung bei den Betriebsmitteln durch eine Ausweitung des Faktors Werkstoffe statt (Stichwort: make or buy).
Warum tun sich Unternehmen so schwer damit, in der Konzeptionierung und Umsetzung ihrer Marketing-Konzeptionen den Faktor „Personal“ mit den anderen (Marketing-)  Faktoren Produkt, Preis, Distribution und Kommunikation zu kombinieren und als 5. gleichberechtigten Marketing-Faktor aufzunehmen?    
Überdurchschnittliche, durch entsprechende materielle und/oder immaterielle Investitionen geschaffene und vom Markt entsprechend honorierte Stärken des Marketing-Faktors „Personal“  werden - und das ist der entscheidende Effekt -  vom Kunden „bezahlt“, primär durch mehr Nachfrage und eine stärkere Bindung an das Unternehmen. Aber auch dadurch, dass bei den anderen Marketing-Faktoren der Aufwand reduziert und/oder zusätzliche Marktanteile gewonnen werden können. Andererseits - und das ist die Rückseite derselben Medaille - müssen marktrelevante Schwächen des Marketing-Faktors „Personal“ – und das wird leider viel zu oft übersehen - durch einen höheren Aufwand bei den anderen Marketing-Faktoren kompensiert werden, um Verluste an Marktanteilen zu vermeiden.

Dies sieht auf den ersten Blick nach einem Null-Summen-Spiel aus. Die Marketing-Mix-Strategie A mag für manches Unternehmen oder für manche Branche durchaus Sinn machen, für die meisten Unternehmen, speziell aus dem tertiären Bereich, wäre das jedoch zu kurzfristig gedacht. Investitionen in den Faktor „Personal“ haben mit einem durchschnitt-lichen/geschätzten ROI von 1:5 ein Niveau, das oft deutlich über dem der klassischen Investitionen, z.B. in eine Produktionsanlage, liegt. Und diese Investitionen sind nachhaltig und haben eine hohe Halbwertzeit. Kompensatorische Maßnahmen wie im dargestellten Marketing-Mix A haben nur eine kurze Wirkdauer und können vom Wettbewerb relativ leicht gekontert und nivelliert werden.  In diesem Zusammenhang sollte auch darauf hingewiesen werden, dass jeder der vier klassischen Marketing-Faktoren (Produkt, Price, Place oder Promotion) vom Wettbewerb sehr schnell kopiert werden kann. Den Marketing-Faktor „Personal“ kann man allerdings seitens des Wettbewerbs nicht so einfach und nicht so schnell nachmachen.

6.  Die wichtigsten Funktionen des Faktors „Personal“
Wir konzentrieren uns auf die die wichtigsten Funktionen des Faktors „Personal“ im Absatz- und Servicebereich, also an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunde. Die Wichtigkeit einer stärkeren und besseren Integration des Personals in das Marketing eines Unternehmens ergibt sich u.a. aus folgendem Sachverhalt: wenn man sich die Entwicklung des Marketings vor Augen führt, so wird im Wesentlichen ein entscheidender Schritt erkennbar, und zwar der von der Verkaufs-Konzeption („How to make sales“) hin zur Marketing-Konzeption („How to create a customer“).
 


Abb. 4 Marketing-Entwicklung

Der oben skizzierte große Entwicklungsschritt hin zum Marketing basiert also auf dem Ziel, Gewinn nicht unbedingt (nur) aus dem Verkaufsvolumen, sondern vor allen Dingen durch Kundenzufriedenheit zu erzielen, genau genommen durch die Schaffung von profitabler Kundenzufriedenheit. Wesentliche Voraussetzungen dafür sind die konsequente Markt- und Kundenorientierung, die Konzentration auf fundamentale Kundenbedürfnisse, Kunden-probleme und deren Lösung sowie ein sehr gut funktionierendes Kunden-Management.
Diese entscheidenden Voraussetzungen erfüllen allerdings die klassischen 4 Ps im Marketing-Mix alleine nicht nachhaltig und ökonomisch sinnvoll. Kauft der Kunde vielfach doch letztlich nicht (nur) ein Produkt oder eine Dienstleistung zu einem bestimmten Preis an einem bestimmten Ort, sondern mehr, nämlich eine für ihn fachlich/ funktional und menschlich wertvolle Verbindung, und diese Dimension spiegelt sich nicht unbedingt in den  4 Ps. Zumindest für das Teil-Kaufmotiv „… eine menschlich wertvolle Verbindung“ ist der Faktor „Personal“ und seine Qualität eine unverzichtbare Grundvoraussetzung.

Es geht im Marketing nicht nur darum, Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen, sondern vor allen Dingen, eine stabile, langjährige Kundenbindung zu installieren. So ist es sinnvoll, in die Kundenverbindung („Pipeline“) zu investieren und immer mehr zu stabilisieren. Stimmt die Kundenverbindung, die im Wesentlichen nur durch den Faktor „Personal“ geschaffen und gepflegt werden kann, so besteht die Möglichkeit, mit vergleichsweise geringerem Aufwand der anderen Marketing-Faktoren über viele Jahre Umsatz zu generieren. Beispiel: gelingt es einem Automobil-Konzern, eine lebenslange Verbindung zu seinem Kunden zu realisieren und gegen den Wettbewerb zu verteidigen, dann geht durch diese „Pipeline“ ein Umsatz von durchschnittlich € 300.000,00 bis 500.000,00 über Neuwagen, Zweitwagen, Ersatzeile/Zubehör, Werkstattservice, Neu- oder Gebrauchtwagen für die anderen Familienmitglieder etc.

Abb. 5  Pipeline-Philosphie

Bei der Realisierung dieser „Pipeline-Philosophie“ spielt der Faktor „Personal“ die entscheidende Rolle, diese Rolle kann durch keinen anderen Marketing-Faktor auch nur annähernd ersetzt werden.
Zur Umsetzung von erfolgreichem Marketing und bezogen auf die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen hat der Faktor „Personal“ im Absatz- und Servicebereich u.a. folgende wichtigste Primärfunktionen:

  • Angebot und Verkauf von Produkten und Dienstleistungen
  • Einführung von Neuprodukten
  • Neugewinnung und Zurückgewinnung von Kunden, Pflege bestehender Kunden und Sicherstellung der Kundenbindung
  • Leistung von direktem oder indirektem Service
  • Beratung zu Produkt oder Dienstleistung und über deren Nutzung oder Abverkauf
  • Beschaffung von Markt- und Wettbewerbsinformationen
  • Bereinigung von Unstimmigkeiten zwischen Unternehmen und Kunde; Bearbeitung von Reklamationen
  • Sammeln und Bewertung von Feedback
  • Erklärung von betrieblichen Abläufen (z.B. Bestellwesen)

Es liegt auf der Hand, dass der Faktor „Personal“ für diese Funktionen nicht nur über das notwendige Fachwissen, sondern auch über Motivation, Unterstützung, gute Führung und gute begleitende/unterstützende organisatorische Leistungen des Unternehmens verfügen muss. Alle Stärken und Schwächen eines Unternehmens, vom Produkt, über die Preis-gestaltung, die Prozesse und Abläufe im Unternehmen bis hin zu Marketingkampagnen, laufen an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden, am Point-of-sales, auf.

7.  Zustand des Faktors „Personal“
Um die Mitarbeiterzufriedenheit in Deutschland ist es in vielen Unternehmen nicht besonders gut bestellt.  Exemplarisch sollen an dieser Stelle nur die Ergebnisse der letzten Studien von Gallup und Kienbaum wiedergegeben werden:

  • Nach der letzten Gallup-Studie aus 2012 [6] identifizieren sich nur 15% der befragten Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen, 24% identifizieren sich gar nicht mit ihrem Unternehmen; 25% der befragten Mitarbeiter haben bereits innerlich gekündigt, 63% machen Dienst nach Vorschrift. Lediglich 14 Prozent sind der Umfrage zufolge wirklich motiviert und arbeiten gern in ihrem Unternehmen.
  • Nach der KienbaumPanelStudie [7] aus 2012 sind von den befragten Mitarbeitern 14% sehr zufrieden,  23% zufrieden, 11% durchschnittlich zufrieden, 14% unzufrieden, 34% sehr unzufrieden.
Würden die anderen Marketing-Faktoren wie Produkt, Distribution oder Kommunikation oder auch der Zustand von Betriebsmitteln ähnliche Qualitätsergebnisse zeigen, würden in den Unternehmen die Alarmglocken klingeln. Oder anders ausgedrückt: würde man bei dem Faktor „Personal“ so viel Sorgfalt und Prüfung wie bei den anderen Faktoren einsetzen, dann stünde es um den Faktor „Personal“ deutlich besser.

8.  Problemstellung
Die teilweise mangelhafte und unzureichende Integration des Faktors „Personal“ in das operative Marketing und die nicht optimale Harmonisierung der beiden Funktionsbereiche „Marketing“ und „Personal“ führt oft zu einer mangelhaften, ineffizienten und zu teuren und damit unprofitablen Umsetzung von Marketing-Konzeptionen im Markt. Als wesentliche Gründe sollen hier beispielhaft genannt werden:

  • Mangelhafter Transfer
    • Die Mitarbeiter, speziell im Vertrieb, sind über Ziele, Strategien und Maßnahmen des Unternehmens nur unzureichend informiert. Dies kann dazu führen, dass an der Schnittstelle zum Kunden Fehler gemacht werden, und die Verkaufsargumentation nicht mit dem Marketing-Konzept harmoniert. Der mangelhafte Transfer belastet nicht nur die Kundenbeziehung, sondern auch die Mitarbeiter an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden, die diese Transferprobleme ausgleichen müssen.
  • Unzureichende Vorbereitung
    • Die Mitarbeiter sind nicht ausreichend geschult, um die Marketing-Konzeption an ihren Arbeitsplätzen bzw. in ihren Funktionen erfolgreich umsetzen zu können. Dies führt dazu, dass viele Wirkungen des Marketing-Konzeptes verpuffen. Die quantitative Personalausstattung ist oft unterdimensioniert und damit nicht dazu geeignet, um beispielsweise durch die Marketingmaßnahme zusätzlich generierte Nachfrage aufzunehmen.
  • Konkurrierende Ziele innerhalb der Unternehmensorganisation
    • Um Marketing als Philosophie und Instrumentarium am Markt erfolgreich umsetzen zu können, muss die gesamte Unternehmensorganisation Marketing „leben“ und auf den Markt, auf die Bedürfnisse des Kunden orientiert sein. Oft funktioniert dies nicht, weil die Ziele der unterschiedlichen Funktionsbereiche mit den Marketingzielen nicht kompatibel sind oder sich sogar gegenseitig stören (z.B. geringe Lagerbestände vs. zügige Lieferung, einfache Produktionsabläufe vs. Individuelle Problemlösungen, Reduzierung der Mitarbeiterzahl vs. Service und Beratung). Selbst eine personell schlecht besetzte Telefonzentrale kann die Zielsetzung der Schaffung von profitabler Kundenzufriedenheit torpedieren. Konkurrierende Ziele belasten wiederum nicht nur die Kundenbeziehung, sondern auch die Mitarbeiter am POS (Beispiel: die Reklamationsabteilung lehnt gemäß den ihr gegebenen Vorgaben eine Reklamation ab und gefährdet damit den Bestand der Kundenbeziehung).
  • Mangelhafte Mitarbeiterzufriedenheit
    • Während sich die institutionelle Kunden-Orientierung und -Bindung in der funktionalen Leistung des Unternehmens zeigt (diese schafft man „notfalls“ auch mit den 4 Ps), ist die deutlich wichtigere personale Kunden-Orientierung und -Bindung sicherlich in hohem Maße abhängig vom individuell kundenfreundlichen Verhalten und der fachlichen Kompetenz des Mitarbeiters im direkten und indirekten Kontakt mit dem Kunden. Kundenzufriedenheit ohne Mitarbeiterzufriedenheit ist nach allen Erfahrungen kaum realisierbar, zumindest nicht effizient. Die Mitarbeiter-Zufriedenheit (Befindlichkeit der Mitarbeiter und Führungskräfte in einem Unternehmen) entscheidet somit in erheblichem Maße über den Erfolg und die Profitabilität der unternehmerischen Aktivitäten im Markt.
  • Marketing behindernde Organisationsabläufe
    • Marketing bedeutet eine konsequente Ausrichtung des Unternehmens an den Bedürfnissen des Marktes. Vielfach werden Organisationsabläufe so gestaltet, wie sie für das Unternehmen am einfachsten und am wenigsten kostenverursachend sind. Mitarbeiter im Verkauf oder im Service sind in diesem Falle gezwungen, diese marktrelevanten Organisationsdefizite auszugleichen, um möglichen Schaden beim Kunden zu vermeiden. Diese eigentlich überflüssige Funktion des Troubleshootings ist nicht nur ineffizient, sondern führt auch zu physischen und psychischen Belastungen der Mitarbeiter. Alle internen Organisationsabläufe sollten so gestaltet sein, dass sie die Marktbearbeitung und die Mitarbeiter in der Bearbeitung am Point-of-sale unterstützen.
  • Die beispielhaft genannten Probleme werden in der Regel an der Schnittstelle zwischen Verkauf und Kunde sichtbar und müssen vom Unternehmen, meist in einer schlechteren Währung,  bezahlt werden, entweder in der Form von Preiszugeständnissen, Reklamatio-nen, zeitlichem Mehraufwand, aber auch in der Form von realen Kundenverlusten, geringeren Neukundenzahlen und Marktanteilsverlusten. In der Praxis werden diese Negativ-Effekte, die vor allen Dingen aus einer unzureichenden Personal-Politik resultieren, in der Bilanz oder G+V nicht direkt sichtbar und werden - oft unbegründet – der bösen Konkurrenz oder der „Geiz-ist-geil-Mentalität“ zugeordnet.

Nicht weniger problematisch, aber in den Auswirkungen eher weniger beachtet ist die Tatsache, dass der Faktor „Personal“ nicht als zusätzlicher, grundsätzlich gleichberechtigter Marketing-Faktor wie Product, Price, Place und Promotion in das Optimierungsmodell „Marketing-Mix“ eingespielt wird, sondern mehr als Instrumentarium der Umsetzung des aus den klassischen 4 Faktoren bestehenden Marketing-Mix. Damit kann der Faktor „Personal“ seine mögliche wichtige Funktion bei der Gestaltung des Gesamtangebotes eines Unternehmens für seine Kunden nicht wirklich wahrnehmen.
 
9.  Ursachen für die vielfach unzureichende oder Nicht-Einbeziehung des Faktors „Personal“ in das Marketing

Die Ursachen für die oftmals unzureichende Einbeziehung des Faktors „Personal“ in das Marketing eines Unternehmens sind umfangreich. Der Hauptgrund liegt bei vielen Unternehmen  sicherlich in der im Vergleich zu den anderen Marketing-Faktoren geringeren Wertschätzung und der unzureichenden Funktionszuweisung des Faktors „Personal“ (primär Durchführung, Umsetzung), oft in Verbindung von Über- und Unterforderung der Mitarbeiter. Offenbar haben viele Unternehmen Schwierigkeiten damit (oder auch kein ausgeprägtes Interesse daran),  dem Faktor „Personal“ einen vermarktungs-relevanten Wert zuzuordnen. Obgleich immer wieder davon gesprochen wird, dass die Menschen das wichtigste Kapital eines Unternehmens darstellen, genießen sie oftmals nicht den notwendigen Stellenwert bei der Vermarktung und/oder ihr Grenznutzen für die Gesamtleistung wird über- oder unterschätzt.
Für die Relevanz dieser These sprechen einige Fakten:

  • 10% aller hauptberuflich tätigen Arbeitnehmer sind von Armut bedroht (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut)
  • 12 % aller Arbeitnehmer in den alten Bundesländern und 25% aller Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern arbeiten zu einem Stundenlohn von unter € 8,50
  • 8,5 Millionen Menschen arbeiten in sogenannten prekären Arbeitsverhältnissen
  • 1,3 Millionen Menschen verdienen mit ihrer Arbeit nicht genug zum Leben und müssen aufstocken (Bundesanstalt für Arbeit).
  • Wenn Kosten eingespart werden müssen, ist der Personalbereich über Entlassungen und die Reduktion von PE-Maßnahmen immer als erstes dran, obwohl die Kostenreduktionen nur kurzfristig eine positive Wirkung haben, damit aber langfristig Werte vernichtet werden und die Existenz des Unternehmens bedroht wird.
  • Während für die Erforschung von Kundenproblemen und -bedürfnissen von den Unternehmen sehr viel Geld investiert wird, geschieht relativ wenig, um die Bedürfnisse von Mitarbeitern zu erkennen und sie bedürfnisorientiert zu führen (Thema einer anderen Studienarbeit für den Zertifizierungslehrgang „Organisationspsychologie“).
  • Mitarbeiter im Verkauf und im Service werden im Verhältnis zu Mitarbeitern anderer Funktionsbereiche oft nicht nur unzureichend bezahlt, sondern auch schlecht geführt.
  • Wenn Vorstände von Unternehmen inzwischen bis zum 200-fachen des Gehalts eines Mitarbeiters erhalten, stellt sich die Frage nach deren Wertschätzung.
  • Der Faktor „Personal“ verliert tendenziell an Wert. Für diese These sprechen die Tatsachen, dass es einen Trend zum Outsourcing, zu Zeitarbeitsverträgen/Billig-Jobs, Call-Centers, Internet-Sales etc. gibt und zudem die in den Mitarbeitern vorhandenen zusätzlichen Ressourcen und Fähigkeiten nicht aktiviert bzw. abgerufen werden. Bei vielen Unternehmen stehen die Kopfzahl/die Kosten von Mitarbeitern über der Qualität. Immer mehr Controller und Kennzahl-Fundamentalisten fungieren als CEOs, für die primär die Erfüllung von Kennzahlen zählt.
Weitere Ursachen
  • Der Stellenwert und damit die Möglichkeit zur Einflussnahme, den das Personalwesen in den Unternehmen einnimmt, werden tendenziell schwächer. Im Wesentlichen ist das Personalwesen verantwortlich für die Personalverwaltung, -abrechnung, -entwicklung und für die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat. So hat vor Jahren die Daimler AG darüber nachgedacht, das gesamte Personalwesen zu outsourcen. Interessenterweise gibt es im Gegensatz zu den anderen Produktionsfaktoren keine eindeutige Verantwortung für die Qualität des Faktors „Personal“.
  • Die Einbeziehung von Mitarbeitern im Verkauf und im Service in die Ausgestaltung von Marketing-Konzeptionen und –Kampagnen ist vielfach nicht gegeben. Das erschwert nicht nur die Nutzung und Berücksichtigung von praktischen Markterfahrungen, sondern auch den Aufbau von Commitment, Engagement und Motivation der Mitarbeiter.
  • Wettbewerbs-Vergleiche und Benchmarking werden im Gegensatz zu den Faktoren Preis, Produkt, Kommunikation und Distribution für den Faktor „Personal“ vergleichsweise selten durchgeführt. So fällt es auch schwer, Wettbewerbs-Vor- und Nachteile in diesem Bereich zu erkennen und entsprechend bei der Vermarktung zu berücksichtigen.

10.  Lösungsansätze
Dass vermehrt darüber nachgedacht wird, den Faktor „Personal“ (wie auch gelegentlich weitere Faktoren wie Ausstattung und Prozesse) in den Marketing-Mix einzubeziehen, ist ein guter und notwendiger Schritt in die richtige Richtung, in der Realität fehlt es aber (noch) an der richtigen und konsequenten Umsetzung. Relevante Ansätze zur Lösung der beispielhaft genannten Probleme, aber auch zur substantiellen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit könnten sein:

  • dem Faktor „Personal“ einen auch materiellen Wert zu geben, ähnlich wie man es mit Produkten/Dienstleistungen, Kommunikationsmaßnahmen, Distributionssystemen etc. zuordnet und diesen Faktor in den Marketing-Mix als Optimierungsmodell einzuspielen. Ein gutes Hilfsmittel stellt die Wertanalyse dar, die systematisch Funktionen und deren Kosten ermittelt und den Beitrag zur Gesamtleistung transparent machen kann (Thema einer anderen Studienarbeit für den Zertifizierungslehrgang „Organisationspsychologie“)
  • eine stärkere Einbeziehung der Mitarbeiter und Führungskräfte in die Entwicklung, vor allen Dingen aber in die Vorbereitung und Durchführung von Marketing-Aktionen. Sie müssen sowohl die Zielrichtung, als auch die Strategien und Umsetzungsmaßnahmen verstehen, um den Transfer beim Kunden und die gewünschten Ergebnisse sicherstellen zu können
  • die konsequente Einführung des internen Marketing als Ausdruck einer markt- und kundenorientierten Unternehmensführung. Dies wäre eine durchgängige Absicherung, Fortsetzung und Erfüllung der auf Absatzmärkte gerichteten Marketingphilosophie als Denk- und Operationsstil in Richtung Personal mit dem strategischen Ziel der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. Das interne Marketing ist eine systematische Optimierung unternehmens-interner Prozesse mit Instrumenten des Marketing- und Personalmanagements, um das Marketing als interne Denkhaltung durchzusetzen und letztlich die effiziente Erreichung der marktgerichteten Unternehmensziele zu unterstützen

Im Einzelnen handelt es sich beim Internen Marketing um:
 

  • die umfassende Information der Mitarbeiter über den Unternehmensgrundsatz der Kundenorientierung
  • die Motivation der Mitarbeiter, ihre Einstellungen und ihr Verhalten konsequent an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten und sich selbst als Teil eines Teams zu verstehen, Kundenorientierung zu praktizieren. Dies gilt insbesondere für Mitarbeiter an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden
  • Unterstützungsmaßnahmen zur positiven Gestaltung von Kundenbeziehungen und zur psychischen Stärkung im Umgang mit vergleichsweise schwierigen Kunden
  • die Schaffung von Rahmenbedingungen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, der konsequenten Kundenorientierung des Unternehmens auch gerecht werden zu können und von unterstützenden Anreiz- und Motivationssystemen
  • Last, but not least:  die Mitwirkung an der Visionsfindung, denn je stärker die Mitarbeiter an der Visionsfindung beteiligt sind, desto größer ist auch die Chance, dass sie die Vision auch mittragen, ausgestalten und leben. So fühlt sich - um eine weit verbreitete Metapher zu bemühen - ein im Steinbruch arbeitender Steinmetz nicht wie ein Arbeiter, sondern als Mitglied eines Teams, das eine Kathedrale baut.

1 1.  Nutzen für das Unternehmen und die Mitarbeiter
Die Einbeziehung des Faktors „Personal“ sollte für ein Unternehmen folgenden Nutzen bringen:

  • Es wird eine deutlich verbesserte Bearbeitung des Marktes ermöglicht durch die bewusste und gezielte Integration des Faktors „Personal“ als Teil einer integrierten Gesamtleistung, grundsätzlich gleichberechtigt zu den anderen 4 Marketing-Mix-Faktoren.
  • Gut ausgebildetes, gut geführtes und motiviertes Personal kann bewusst als verkaufsfördernden USP und nicht nur als Mittel zur Umsetzung von Verkaufszielen und Kampagnen eingesetzt werden.
  • Investitionen in den Faktor „Personal“ werden vom Markt in der Regel bezahlt, sofern sie markt- und nachfragerelevant sind und der nachhaltigen Problemlösung, Kundenbindung und einer Verbesserung der Arbeitgeber-Attraktivität (Employer Branding) dienen.
  • Ein leistungsfähiger, optimal gestalteter Faktor „Personal“ eröffnet Optionen zur Reduzierung von Marketing-Ausgaben (z.B. Werbung, Preiszugeständnisse, Reklamationen).
  • Man kann alle 4 Ps nachmachen, man kann Preise nachmachen, man kann Promotion nachmachen und man kann die Distribution nachmachen. Die Wettbewerbsfähigkeit ist unter diesem Aspekt nicht unbedingt nachhaltig gesichert. Was man aber nicht nachmachen kann, sind die Führungskräfte und Mitarbeiter eines Unternehmens. Das führt zu der entscheidenden Frage: warum ist das so wichtige Element nicht im Marketing-Mix enthalten? Warum investiert man so viel in die nachmachbaren Faktoren und so wenig in das entscheidende Element Personal, zumal der ROI für Investitionen in Personal mit 1:5 von keinem anderen Faktor erreicht werden kann?
  • Das Employer Branding zur Verbesserung der Position auf den Personalmärkten wäre deutlich wirkungsvoller und glaubwürdiger. Immer mehr junge Absolventen von Hoch-schulen fragen und entscheiden sich nach den weichen Faktoren (z.B. Work-Life-Balance)

Der Nutzen für Führungskräfte und Mitarbeiter im Verkaufs- und Servicebereich - und nicht nur dort - ist ebenfalls bedeutsam:

  • Höhere Wertschätzung ihrer Arbeit
  • Verbesserte Unterstützung durch die Organisation bei der Kundenbearbeitung
  • Reduzierung von Stress und psychischen Belastungen
  • Mitwirkung an den Marketing-Konzepten und Kampagnen

12.  Fazit und Ausblick
Es bleibt die Frage, warum der Faktor „Personal“ nicht stärker und systematischer in das Marketing integriert wird, warum die Harmonisierung zwischen Marketing und den Mitarbeitern vor allen Dingen an der Schnittstelle zum Kunden in vielen Unternehmen immer noch zu wenig Beachtung findet. Befindet sich doch exakt bei dem Faktor „Personal“ die  wirkungs-vollste Stellschraube zur Schaffung eines nachhaltig erfolgreichen Unternehmens, sowohl auf den Absatzmärkten als auch auf dem immer wichtiger werdenden Personalmarkt. Auffällig ist der große Unterschied zwischen Lippenbekenntnissen und der tatsächlichen Handlung („zwischen dem Reden und dem Handeln liegt das Meer“).

Durchaus diskussionswürdig wäre sogar eine Erweiterung des Faktors „Personal“, indem man ihm die Bezeichnung „Personen“ gibt. In früheren Zeiten gab es auf dem Markt zwei Personen: den Anbieter und den Abnehmer einer Ware oder einer Dienstleistung. Heute und in Zukunft werden neben den eigenen Mitarbeitern auch andere Personen mit spezifischen Interessen in die Vermarktungsprozesse integriert: Partner, Händler mit deren Mitarbeitern, Shareholders, Journalisten, Kunden (Stichwort: Mund-zu-Mund-Kommunikation) und auch die Öffentlichkeit.

Es ist zu vermuten, dass die Polarisierungstendenzen zwischen den Unternehmen, die konsequent auf den Faktor „Personal“ bei ihren Aktivitäten im Markt setzen, und den Unternehmen, die diesen Faktor vernachlässigen, zunehmen werden. Und diese Polarisierung wird die nachhaltig erfolgreichen Unternehmen von den weniger erfolgreichen weiter trennen.
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